Wer ein Tabu-Thema vermarktet der polarisiert. Wer dabei nicht in eine Schublade gesteckt werden will vollbringt einen Drahtseilakt.

„Ein gewisse Art von ‚Standing‘ gehört dazu“, diese Erfahrung macht Mina Urban bereits seit drei Jahren. Sie hat sich dem Thema „Ehe ohne Sex“ angenommen. Dazu hat sie nicht nur mit unzähligen Menschen aus ganz Deutschland gesprochen, sondern auch ein Buch geschrieben. Bei drei großen Verlagen lag sie ganz oben auf den Schreibtischen. Doch das Tabu ist zu groß und ein Flopp für die Verleger zu riskant.

Trotz der Ablehnung, für die bis dahin eher unbekannte Netphener Autorin, ein riesiger Erfolg. Also ließ sie ihr Buch „Ehe ohne Sex“ selbst drucken. Die Selbstvermarktung wurde dadurch jedoch nicht einfacher.

Bücher schreiben, das ist ein kostspieliges Hobby, denn dabei erwirtschaftet sich kein Gewinn. Ganz im Gegenteil. Wer sein Buch selbst rausbringt, bezahlt nicht nur für Cover und Druck, sondern macht auch das gesamte Marketing allein. Mina Urban hat ihre eigenen Erfahrungen gemacht. Sie weiß, was geht und was sie sein lassen kann. Lesungen zum Beispiel, sind bei ihrem Thema, out. Ihr ganz besonderes Thema verkauft sich am besten durch gute Zeitungsartikel oder im Internet. Dort können ihre Leser das Buch heimlich runterladen oder dezent bestellen.

Rückschläge, Durchhaltewillen und Verleumdung kennt jeder der sich selbstständig macht. Doch hier ist besonderes Fingerspitzengefühl und Sensibilität gefragt. Wer sich mit polarisierenden Themen auseinandersetzt, muss mit einer prompten und schnellen Ablehnung leben. Wenn dann noch persönliche Betroffenheit dazu kommt, ist eine offene Kommunikation fast unmöglich. Nicht alle Journalisten finden es spannend über Sex zu berichten. „Eigentlich sollten alle vorsichtig sein“, lacht Mina, „denn ich kann sehr schnell erkennen wer mit dem Thema etwas anfangen kann und wer nicht.“

Noch nicht einmal gute Freunde liken ihre Fan Seite, weil dies in deren Augen einem Outing gleich kommen würde. Verleger haben aus persönlicher Betroffenheit, das Thema sofort abgelehnt oder Radio-Moderatoren entscheiden im Alleingang.

Unwissende werfen Mina Urban fehlende Ernsthaftigkeit vor, andere stecken sie gleich in die Schublade der frigiden Frau. „Zum Glück lebe ich im Siegerland“, sagt Urban, „hier sind die gewonnen Freundschaften so tief, dass vieles gar nicht erst an mich herangetragen wird.“ Auch ihre Kinder beweisen Haltung. Urbans Befürchtung, dass Mitschüler über ihre Kinder hetzen, bewahrheitete sich nicht. Es sind die Lehrer die fragen: „Ist das deine Mutter?“

Doch es gibt noch eine andere Seite. Krebsberatungsstellen haben ihre Rezensionsexemplare mit Kusshand genommen. Auch Selbsthilfegruppen oder die Aidshilfe sind dankbar für ihre sachliche und doch emotionale Umsetzung des Themas. Die Autorin kennt ihren Wert und weiß was ihr Buch und ihre Arbeit bewirken können. Sie kennt das Leiden der Betroffenen und die Sprachlosigkeit der Gesellschaft. Deshalb hat sie nach langem Überlegen angefangen zu coachen. Und das mit Erfolg, stolz sagt sie: „Männer und Frauen, die sich an mich wenden, schenken mir nicht nur Vertrauen. Nein, sie kennen auch die Tücken der Liebe, haben viel Mut und beweisen jede Menge Standing. Genau wie ich.“

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