Es war Pfingstsamstag, als ich mit 13 Leuten vor und hinter mir, schon früh morgens bei dem Händler anstand, der den frischesten Spargel und die leckersten Erdbeeren hat. Wir in der Schlange lachten wegen dieses großen Auflaufs an Menschen, doch wir waren uns alle einig: Dieser Spargel und diese Erdbeeren waren es wert, nicht nur mehr Geld dafür zu bezahlen, sondern dafür auch einige Zeit anzustehen. Investieren von Geduld und Zeit haben sich gelohnt. Meiner Meinung nach kann man diese Erfahrung auch auf den Sex übertragen. Ich jedenfalls habe Qualität zu schätzen gelernt.

Ein Schmunzeln kann ich mir nicht verkneifen, wenn ich manch eine Umfrage zum Thema Sexualität und Lust lese. Es lohnt sich erstens immer, die Anzahl der Befragten und, zweitens, das Alter der Befragten zu prüfen. Bei manchen Illustrierten hat man Glück und kann die Quellen entdecken. In den meisten Umfragen, die ich während der Recherchearbeiten zu meinem Buch gelesen habe, werden junge Menschen zwischen 20 und 30 Jahren befragt. Dann legte sich dieses allwissende Lächeln wie von selbst auf meine Lippen. Vor 20 Jahren (!) sah meine Vorstellung von intimem Beischlaf auch noch anders aus. Da suchte ich nach dem „WAS“ und vor allem „WER“ mir gefällt.

Ich wollte vieles ausprobieren und geliebt werden.

Dieser Zeit trauere ich in keiner Weise nach. Ganz im Gegenteil: War damals oft Unsicherheit im Spiel, sind heute Ruhe und Gelassenheit an die Stelle getreten. Natürlich gibt es immer noch Dinge, die mich in Aufruhr versetzen können, doch meine Reaktionen darauf sind bedachter. Die Erfahrung hat mich mit Weisheit beschenkt. Meinen Körper kenne ich, nicht zuletzt durch die Schwangerschaften, besser als je zuvor. Ich habe gelernt, mit meinen Kräften Haus zu halten und aus dem „geliebt werden wollen“ ist eine reife Liebe geworden. Eine Liebe, die mehr gibt und nichts erwartet.

So ist es auch mit dem Sex. Ja, auch der hat sich verändert. Unsere sexuellen Erwartungen und die Intensität verändern sich. Ich lege jetzt mehr Wert auf die Qualität statt auf die Quantität, so wie bei den Erdbeeren auch. Und manchmal gibt es eben gar keine Erdbeeren. Vielleicht sollte auch ich alle vier Jahre (so lange hält das Verliebt Sein höchstens an), meinen Partner wechseln, um dieses wundervoll berauschende Gefühl zu behalten. Vielleicht sollte ich auch die im Gewächshaus gezüchteten Erdbeeren kaufen. Doch vielleicht ist mein Weg der Gesündere: Nicht mehr ständig auf der Suche nach dem Kick, sondern bei mir und meinem Partner angekommen, in der Mitte meines Lebens.

Sollte ich das Glück haben, noch einmal solch intensive Erlebnisse zu haben, wie in der bereits vergangenen Hälfte meines Lebens, kann ich noch viel Schönes erwarten und viele Beeren essen.

Jetzt ist die Erdbeersaison erstmal um.
Ich freue mich schon auf die nächste….
Eure Mina