Mein Vater war der Meinung, ein richtiger Mann müsse immer ein Taschenmesser in der Hosentasche haben. Weil es ihm nicht vergönnt war, einen Sohn zu haben, bekam ich schon früh eines. Nein, ich habe es natürlich nicht immer in der Tasche und trotzdem hatte mein Vater natürlich großen Einfluss auf meine Männerwahl.
Wir lernen viele Dinge im Leben und machen uns unser eigenes Bild zu den Geschlechtern. Versuche der Regierung, den Sexualkundeunterricht geschlechterneutral zu reformieren, scheitern bisher an den Gegnern. Wir leben in einer polarisierenden Welt und im Grunde gefällt uns auch die Einteilung in männlich und weiblich. Das Neutrum ist uns suspekt und wird es sicher auch noch lange bleiben.

Aber was bedeutet es, männlich oder weiblich zu sein? Gemäß esoterischer und Jahrtausende alter Lehren sind beide Anteile in unserer Seele vereint. Sowohl die einen als auch die anderen. Dementsprechend leben wir Menschen als Frau sozusagen körperlich, organisch, den weiblichen und als Mann entsprechend mit jeder Faser des Körpers den männlichen Aspekt aus, während die jeweils andere Seite ein Dasein auf unserer „Schattenseite“, d.h. verborgen in unserem Innersten führt. Es ist nur ein kleiner Unterschied in unserem Chromosom und doch führt er dazu, dass wir während eines Lebens in eine vorgegebene Richtung gelenkt werden. Was uns als „männlich“ oder „weiblich“ im Kopf herumschwirrt, haben wir durch Beobachten und Rollen-Vorbilder erlernt. Wir haben uns an den Erwartungen unserer Umwelt orientiert und so unsere Identität geformt. Die meisten von uns jedenfalls haben das getan.

Viele Versuche, die klassischen Rollenbilder zu sprengen und Aufgaben neu zu verteilen, sind zum Scheitern verurteilt. Ich frage mich, warum das so ist. Antworten finde ich in Weisheiten, die älter sind als das Christentum wie z.B. die Bhagavad Gita, das Kybalion und die indischen Veden. Sie berichten von gegenseitiger Wertschätzung, von der wir oftmals noch weit entfernt sind. Da ist die Rede von der Rückkehr in die Einheit, der Rückkehr zur göttlichen Einheit. Eine Einheit, die für unseren Verstand so unbeschreiblich ist, dass die irdische Einheit nur als Karikatur bezeichnet werden kann.

Auch Diana Richardson, Robert Betz, Clemens Kuby und andere kommen auf den Punkt der Polarität der Geschlechter zu sprechen. Demnach ist der Mann der Erzeuger und die Frau ist die Empfangende und Gebärende. Eigentlich nichts Neues, oder? Doch die Autoren gehen noch weiter. Sie beschreiben die Qualitäten, die damit verbunden sind. Frauen nehmen auf, nicht nur den Samen sondern empfangen Botschaften, gebären Visionen und sind Quelle von Kreativität und Weisheit. Männer sind allzeit bereit und spüren, dass die weibliche Quelle für sie von Vorteil ist. Die männliche Kraft besteht darin, dass der Mann etwas bewegen will. Er hat den Wunsch und die Ausdauer, Neues zu erschaffen.

Die Frau steht für Mutter Erde und damit für die Liebe. Der Mann steht als Vater für das Licht, die Impuls gebende Kraft. Erst die Verbindung von Liebe und Licht kann wunderbare Dinge hervorbringen. Wir alle ahnen es im tiefsten Innern, es ist im Laufe der Zeit nur vergessen worden.
So weit so gut. Die Geburt eines Kindes ist sicher für alle eines der größten und wunderbarsten Ereignisse auf der Erde: Das Leben bricht sich Bahn. Immer wieder aufs Neue.

Der „typisch weibliche Aspekt“ führt bei mir dazu, dass ich immer tolle Ideen habe und mein Mann sie umsetzen muss. Egal ob es die neue Gestaltung des Gartens ist oder etwas anderes. Ohne die Kraft meines Mannes wäre ich zu vielem gar nicht im Stande. Ohne meine Visionen gäbe es keine Veränderung.
Mann und Frau ziehen sich wie Plus- und Minuspol fast magnetisch an. Wenn der Kreislauf von Geben und Nehmen ausgeglichen ist, wird Sexualität erfüllend. Oftmals haben wir Frauen es verlernt, zu unseren weiblichen Qualitäten zu stehen. Dazu gehören Empathie, Sanftheit, in sich Ankommen und Rückzug. Genauso wie Männer heutzutage ihre Kraft, Mut und Beharrlichkeit verleugnen. In jedem von uns wohnt auch ein nicht unbedeutender gegengeschlechtlicher Anteil. Das Yin-Yang Zeichen versinnbildlicht das. Die Verbindung mit der gegengeschlechtlichen Energie lässt uns zu uns selbst finden. Da kommt sie wieder ins Spiel: die Einheit. Nur gemeinsam formen wir ein Ganzes, das in der Welt viel Positives bewirken kann.

Ist eine Partnerschaft ausgeglichen im Hinblick auf die Polarität, kann sie zur Quelle übersinnlicher Energie werden. Etwas, von dem wir ahnen, dass es sie gibt, aber nicht wissen, wie wir sie finden sollen.
Eine Möglichkeit des Findens besteht vor allem darin, zum bewussten Sein zu gelangen und sich selbst zu wertschätzen. Sich selbst, wie auch den anderen erleben und anerkennen in der göttlichen Schönheit. Immer mehr Menschen sind auf dem Weg dahin.

Der Weg ist das Ziel. Ich wünsche euch von Herzen eine gute Wanderung.
Eure Mina

Literatur:
Diana Richardson „Slowsex“
Robert Betz „Wahre Liebe lässt frei“
Clemens Kuby „Heilung – das Wunder in uns“

Bild: Mina Urban